Fachgesellschaften kritisieren die derzeitige Unterstützung
Während Intensiv- und Notfallmediziner in Deutschland gerade bis zur Erschöpfung arbeiten, stellten medizinische Fachgesellschaften fest, dass die Krankenhäuser nach derzeitigem Gesetzentwurf auf einem Großteil der finanziellen Zusatzbelastung aufgrund der Corona-Krise sitzenbleiben werden.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. sowie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. kritisieren den derzeitigen Gesetzentwurf zum Ausgleich der finanziellen Belastungen für die Krankenhäuser. Die Fachgesellschaften befürchten, dass die Corona-Krise viele Krankenhäuser in die Pleite treiben könnte.
Die Krankenhäuser bereiten sich aus eigener Tasche vor
In den Krankenhäusern bereitet man sich gerade fieberhaft auf die kommende Welle von Covid-19-Betroffenen vor. Dazu werden ganze Etagen leergeräumt, Medikamente eingekauft, die zum Teil fünfmal so teuer sind, wie gewöhnlich und neue Intensivbetten mit Beatmungsgeräten angeschafft. Beim Blick auf den Gesetzesentwurf stellten die Fachgesellschaften nun fest, dass sie nach derzeitigen Regelungen auf einem Großteil der Kosten sitzenbleiben.
Scharfe Kritik der DIVI
„Der Entwurf ist so definitiv nicht akzeptabel“, betont Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. Minister Spahn habe sein Wort gegenüber den Kliniken gebrochen. Sogar die Nachbesserungen des Gesetzentwurfes seien nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Janssens. Die DIVI fordert deshalb gravierende Änderungen!
Ein Rechenbeispiel
Laut Janssens, der auch Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler ist, muss seine Klinik etwa 95.000 Euro für jedes neu errichtete Intensivbett bezahlen. Hinzu komme, dass die Preise aufgrund der hohen Nachfrage laufend ansteigen. „Der Minister wollte zunächst 30.000 Euro für diese Betten zurückerstatten, in der Nachbesserung des Gesetzentwurfes bietet er jetzt 50.000 Euro für jede neue intensivmedizinische Behandlungseinheit mit Beatmungsmöglichkeit an“, erklärt Janssens. Pro Bett bleiben die Kliniken somit auf mindestens 45.000 Euro sitzen.
Es geht nicht um Bereicherung
„Um eines klar zu stellen: niemand von uns in der Klinik will sich in der aktuellen Situation bereichern“, unterstreicht Janssens. „Wir sind Ärzte – wir wollen helfen!“ Aber kein Angestellter im Krankenhaus solle darum bangen, dass durch die Pandemie die Pleite droht. Die jetzige Situation treibe die Krankenhäuser in den finanziellen Ruin.
DIVI fordert schnelle und unbürokratische Unterstützung
Janssens sowie seine Kolleginnen und Kollegen erwarten von der Regierung eine Kompensation sämtlicher Kosten – inklusive Überstunden, Intensivbetten, Beatmungsgeräte, Schutzausrüstung und Medikamente. „Die Krankenhäuser dürfen jetzt nicht alleingelassen werden“, so Janssens. Andernfalls drohe ein massiver Vertrauensverlust in die Politik.
Hier die Probleme beim derzeitigen Gesetzentwurf laut DIVI:
- Preisanstieg für Schutzausrüstung sind nicht berücksichtigt (Preise vor und in der Krise: OP-Maske 3 Cent vs. 50 Cent bis 1 Euro; FFP2-Atemschutzmaske je nach Ausführung 11 bis 60 Cent vs. 7 bis 10 Euro).
- Mehrverbrauch an Schutzkleidung wurde nicht eingerechnet.
- Überstunden wurden nicht berücksichtigt.
- Probleme, die durch das Verlegen von Patientinnen und Patienten in Altenheime, Kurzzeitpflege, Reha-Einrichtungen wurde nicht berücksichtigt.
- Der Engass bei der Medikamente-Beschaffung sowie die steigenden Preise wurden nicht beachtet.
- Die erstatteten Kosten für Intensivbetten reicht nicht aus.
Hier die Forderungen der DIVI
Die DIVI fordert deshalb einen Pauschalbetrag für jedes neu geschaffene Intensivbett zwischen 85.000 und 100.000 Euro, der unmittelbar ausgezahlt sowie die Fortschreibung des Budgets von dem Jahr 2019 in das Jahr 2020.
DGK äußert ebenfalls große Bedenken
Die DIVI ist nicht die einzige Fachgesellschaft, die sich über die fehlenden Ausgleiche beschwert. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) kritisiert die Forderungen. Zwar begrüße die DGK die Bemühungen im Hinblick auf die Eindämmung der weiteren Verbreitung von SARS-CoV-2, doch der Ausgleich zur COVID-19 bedingten finanziellen Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen greife so kurz, dass die DGK die Regelung mit großer Sorge betrachte.
Fachgesellschaften vertrauten auf den Gesundheitsminister
„Die Ausnahmesituation, in der sich das Gesundheitssystem im Rahmen der COVID-19 Pandemie schon jetzt in Deutschland befindet, ist transparent und allgegenwärtig“, schreibt die DGK in einer Stellungnahme zur Kostenübernahme. Die Klinken haben auf die Aussage des Bundesministers vertraut, dass die gegenwärtige ökonomische Belastung nicht Hebel sein darf, in Folge der Corona-Krise Krankenhäusern die Existenzgrundlage zu entziehen. Auf dieser Grundlage habe man die notwendigen und geforderten Maßnahmen umgesetzt.
Vertrauensvorschuss hat sich nicht ausgezahlt
„Die finanziellen Zusagen im vorliegenden Gesetzentwurf aber halten auch aus Sicht der DGK den zuvor gemachten Zusagen und dem darauf beruhenden berechtigten Vertrauen bei Weitem nicht stand“, kritisiert die DGK. Folgende Punkte hält die DGK der Regierung vor:
- Trotz der Regelung im geplanten Gesetz komme es zu einer Unterdeckung für jedes neu aufgestellte Intensivbett.
- Die Ausgleichszahlungen für richtigerweise freigehaltene Bettenkapazitäten sei in keiner Weise angemessen.
- Zusätzliche Personalkosten, die auch außerhalb jener für Pflegekräfte entstehen, würden nicht ausgeglichen werden.
Bürokratische Hürden müssen zusätzlich überwunden werden
Hinzu komme, dass der Aufbau von Intensivkapazitäten durch die vorgesehene Regelung unangemessen verzögert wird. Es müsse zunächst eine Genehmigung der jeweiligen für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden erfolgen. Dies führe zu einer nicht vertretbaren zeitlichen Verzögerung.
DGK fordert Anpassung des Gesetzentwurfs
„Die beispiellose medizinische Herausforderung, die nur durch einen gemeinschaftlichen Kraftakt aller im Gesundheitssystem agierender Sektoren zu stemmen ist, darf nicht begleitet sein von der Sorge wirtschaftlicher Nachteile als Folge eines solchen Engagements“, betont Professor Dr. Andreas Zeiher, Präsident der DGK. „Wir fordern daher die politischen Entscheidungsträger eindringlich auf, den Gesetzentwurf entsprechend anzupassen.“ Eine anhaltende Diskussion über die Finanzierung von Krankenhausleistungen in dieser Situation sei weder für die Bevölkerung nachvollziehbar noch den Leistungserbringern im Gesundheitssystem vermittelbar, so die DGK. (vb)
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