Kontroverse um Antibiotika: Resistenzen, Innovationsmangel, Lieferengpässe

Am vergangenen Montag veranstaltete der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) anlässlich des Europäischen Antibiotika-Tages eine Konferenz in Berlin. Auf der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem Titel „Ermöglicht oder verhindert unser System Arzneimittelvielfalt gegen die Resistenzproblematik?“ legten Vertreter aus der Pharmaindustrie, dem Bundestag, dem BMG, einem Krankenkassenverband und der Ärzteschaft ihre Standpunkte dar. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH.

Bei den Antibiotika ist die Anzahl der entdeckten neuen Wirkstoffe und Wirkmechanismen seit Jahren rückläufig. Weltweit werden nur wenige neue Antibiotika zugelassen. Gibt es in Deutschland und Europa ausreichend Anreize für die pharmazeutische Industrie für Innovationen auf diesem Sektor? Nach Ansicht von Thomas Müller, Leiter der Arzneimittel-Abteilung 1 des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), ist dies nicht der Fall. „Wir beobachten zurzeit eine sehr starke Ausrichtung auf die Onkologie. In den Pipelines der Hersteller liegt der Anteil der onkologischen Wirkstoffe bei über 50 Prozent, während andererseits viele Firmen aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen sind. Ich glaube, da haben wir, insbesondere in den reichen Ländern, Nachholbedarf, entsprechende Anreize zu setzen.“

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Dies bestätigte auch Dr. Robert Welte, GlaxoSmithKline GmbH & Co.KG (GSK): „Mit AstraZeneca, Novartis und Sanofi sind seit 2016 drei große Hersteller aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen. GSK ist eines der wenigen großen forschenden Pharmaunternehmen, die weiterhin in diese Forschung investieren.“

Hohe Entwicklungskosten versus geringes Umsatzpotenzial

Ein Grund für die Zurückhaltung der Firmen in die Antibiotikaforschung zu investieren, ist das zu erwartende geringe Umsatzpotenzial. Denn ein Antibiotikum mit einem innovativen Wirkstoff wird in der Regel als Reservemittel eingestuft und demzufolge nur selten eingesetzt. Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH, verwies auf eine Aktualisierung des GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-AMVSG), die im Mai 2017 in Kraft getreten ist. Danach können Reserveantibiotika von der Zuordnung zu Festbetragsgruppen ausgeschlossen werden. Auf das Reserveantibiotikum Linezolid, Mittel der ersten Wahl bei Vancomycin-resistenten Bakterien, wurde diese Regelung dennoch nicht angewendet, da es sich um eine „Kann-Bestimmung“ handelt. Deshalb hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) alle Linezolid-Darreichungsformen in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst. Die Folge: der Hersteller nahm das Granulat zur Herstellung einer flüssigen Darreichungsform vom Markt. 

„Muss denn hier der Gesetzgeber nicht nachstellen und dafür Sorge tragen, die Resistenzsituation zu berücksichtigen? Soll man Antibiotika von den Festbetragsregelungen ausnehmen?“, fragte Kortland. Alexander Krauß, Mitglied des Bundestages (CDU), stellte fest, dass über diese Problematik noch diskutiert werden müsse. Auch über die Möglichkeit, Antibiotika im Zuge des AMNOG-Verfahrens generell einen Zusatznutzen zuzuordnen, sollte man sprechen. „Bei Antibiotika wie bei allen Arzneimitteln geht es ja nicht darum, mehr zu verkaufen. Es ist wie bei der Feuerwehr: Da ist es uns auch am liebsten, wenn sie keinen Einsatz hat. Aber trotzdem wird sie vorgehalten.“

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