Die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen könnte bis 2050 weltweit massiv zunehmen. Vor besonders starken Zuwächsen warnen Wissenschaftler in Afrika und dem Nahen Osten. Aber auch in Deutschland gehen Experten von immer mehr Demenz-Kranken aus – auch weil wir ungesund leben.
Alzheimer und andere Demenzerkrankungen sind eines der häufigsten Leiden im Alter und die siebthäufigste Todesursache weltweit. Allein in Europa sind zurzeit rund zehn Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Neben der genetischen Veranlagung können auch bestimmte Risikofaktoren Ausbruch und Fortschreiten der Demenz fördern. Dazu gehören neben Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum und Schwerhörigkeit auch soziale Isolation, Depression, Luftverschmutzung und eine geringe Bildung.
Prognosen auf Basis von Daten aus 204 Ländern
Wie sich die Häufigkeit von Demenzen in Zukunft entwickeln wird, haben Wissenschaftler der Dementia Forecasting Collaborators im Rahmen der Global Burden of Disease Studie nun genauer ermittelt. Dafür werteten sie Daten zu Demenzfällen, Bevölkerungsstruktur und Gesundheitssystem aus 204 Ländern weltweit aus und bezogen neben dem Alter vier der bekannten Risikofaktoren – Rauchen, Übergewicht, geringe Bildung und zu hoher Blutzuckerspiegel – mit ein.
Aus diesen Werten entwickelte das Forschungsteam mithilfe eines Modells eine Prognose für die Zahl der Demenzfälle im Jahr 2050. "Unsere Studie bietet verbesserte Voraussagen für die Demenz sowohl auf globaler Ebene wie auf Länderebene", sagt Erstautorin Emma Nichols von der University of Washington. "Auf Basis der besten verfügbaren Daten gibt sie der Politik und den Institutionen der öffentlichen Gesundheit neuen Einblicke, um die Treiber der Demenzzunahme besser zu verstehen."
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Verdreifachung der Fälle bis 2050
Den neuen Prognosen zufolge könnte sich die Zahl der Menschen mit Demenz bis zum Jahr 2050 fast verdreifachen – von rund 57 Millionen im Jahr 2019 auf 153 Millionen im Jahr 2050. Ein Grund für die starke Zunahme der Demenzen sind das Bevölkerungswachstum und die steigende Lebenserwartung vor allem in ärmeren Ländern. Aber auch mit der Lebensweise verknüpfte Risikofaktoren spielen eine Rolle.
Dem Team zufolge sind allein Übergewicht, Rauchen und ein zu hoher Blutzuckerspiegel laut Studie für zusätzlich 6,8 Millionen Demenzfälle verantwortlich. "Wir müssen uns mehr auf die Prävention und die Kontrolle der Risikofaktoren konzentrieren und sie verringern, bevor sie zu einer Demenz führen", betont Nichols. "Selbst bescheidende Fortschritte in der Vorbeugung der Demenz oder bei der Verzögerung ihrer Effekte kann schon erhebliche Erleichterung bringen."
Generell sind zudem Frauen häufiger betroffen als Männer. Das Verhältnis lag 2019 bei 100 zu 68, wie Nichols und ihre Kollegen berichten. "Das ist nicht nur deshalb, weil Frauen länger leben. Es gibt auch Belege dafür, dass es bei den biologischen Mechanismen hinter der Demenz geschlechtsspezifische Unterschiede gibt", erklärt Nichols' Kollege Jaimie Steinmetz. "So gibt es Hinweise darauf, dass Alzheimer sich im Gehirn von Frauen anders ausbreitet als bei Männern und auch einige genetische Risikofaktoren unterscheiden sich."
Demenz-Zuwächse bis zu 1900 Prozent im Nahen Osten
Eine besonders starke Zunahme der Demenzerkrankungen sagt das Forschungsteam für Afrika und den Nahen Osten voraus. In Afrika südlich der Sahara werden die Falzahlen demnach von 660.000 in 2019 auf mehr als drei Millionen im Jahr 2050 steigen – ein Zuwachs von 357 Prozent. In Nordafrika und dem Nahen Osten prognostizieren die Wissenschaftler einen Anstieg um 367 Prozent, von drei auf 14 Millionen Erkrankte. Extrem betroffen sind Katar, Bahrain und die Vereinten Arabischen Emirate mit einer Demenzzunahme von 1.000 bis 1.900 Prozent.
Im Gegensatz dazu wird die Demenzhäufigkeit in Europa und einem Großteil Asiens weit weniger stark ansteigen. Für Westeuropa sagen die Wissenschaftler im Schnitt 74 Prozent mehr Fälle voraus, für Deutschland werden rund 65 Prozent mehr Demenzerkrankungen bis 2050 erwartet. Noch deutlich geringer ist die künftige Inzidenz in den wohlhabenden Ländern Asiens. In Japan beispielsweise prognostiziert das Team nur einen Anstieg um 27 Prozent.
Mehr Prävention nötig
Nach Ansicht des Forschungsteams illustrieren diese Zahlen unter anderem, welche Rolle Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und zur Prävention eines ungesunden Lebensstils spielen. Gleichzeitig machen die Prognosen aber auch deutlich, dass sozioökonomische Faktoren und ihre Verbesserung eine wichtige Rolle spielen.
"Vor allem Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sollten nationale Programme initiieren, um ihrer Bevölkerung Bildung und eine gesunde Lebensweise zu ermöglichen und nahezubringen", sagt Koautor Theo Vos von der University of Washington. "So ist es wichtig, strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheits- und Sozialversorgung anzugehen, vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung."
Quelle: The Lancet
Dieser Artikel wurde verfasst von Nadja Podbregar
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Das Original zu diesem Beitrag “Bis zu 1900 Prozent: Forscher sagen Explosion der Demenz-Fälle bis 2050 voraus” stammt von scinexx.
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