Schwere COVID-19-Verläufe bei Bluthochdruck
Bluthochruck ist mit einem deutlich erhöhten Risiko schwerer COVID-19-Verläufe verbunden, was auch in Zusammenhang mit der Einnahme bestimmter Blutdruckmedikamente – sogenannter ACE-Hemmer – gebracht wurde. Allerdings scheinen diese laut einer aktuellen Studie nicht zu einem erhöhten Risiko schwerer Erkrankungen zu führen, sondern könnten diesen tatsächlich sogar entgegenwirken.
Ein Forschungsteam um Professor Ulf Landmesser von der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat untersucht, welche Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Bluthochruck bestehen – mit besonderem Blick auf die blutdrucksenkenden Medikamente. Dabei zeigte sich, dass die Immunzellen von Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck bereits voraktiviert sind, was unter COVID-19 massiv verstärkt wird und die schweren Krankheitsverläufe erklären könnte. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem Fachmagazin „Nature Biotechnology“.
Mehr als eine Milliarde Menschen mit Bluthochdruck
„Über eine Milliarde Menschen weltweit leiden unter Bluthochdruck. Von den mehr als 75 Millionen Menschen, die sich weltweit mit SARS-CoV-2 angesteckt haben, litten mehr als 16 Millionen gleichzeitig an Bluthochdruck“, berichtet das Berlin Institute of Health (BIH). Menschen mit Bluthochdruck sein anfälliger für Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und die Erkrankungen an COVID-19 nehmen bei ihnen häufiger einen schweren oder gar tödlichen Verlauf, so das BIH weiter
Zusammenhang bisher unklar
Die Ursachen für das erhöhte COVID-19-Risiko bei Bluthochdruck blieb bisher allerdings unklar. Im Verdacht standen auch blutdrucksenkende Medikamente. „Das Virus benutzt als Eintrittspforte in die Zellen den Rezeptor ACE2, dessen Bildung durch die Gabe von blutdrucksenkenden Medikamenten beeinflusst werden könnte. Wir hatten deshalb zunächst befürchtet, dass Patientinnen und Patienten, die ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker erhalten, womöglich mehr ACE2-Rezeptoren auf ihren Zelloberflächen aufweisen und sich dadurch leichter infizieren könnten“, erläutert Professor Landmesser.
Um diesen Verdacht zu klären, hat das Forschungsteam aus mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Zellen aus den Atemwegen von COVID-19-Patientinnen und -Patienten untersucht, die Medikamente gegen ihren Bluthochdruck einnahmen. „Wir haben insgesamt 114,761 Zellen aus dem Nasen-Rachenraum von 32 COVID-19-Patientinnen und -Patienten sowie von 16 nicht-infizierten Kontrollpersonen analysiert“, erläutert Dr. Saskia Trump, Arbeitsgruppenleiterin im Labor von Irina Lehmann, BIH Professorin für Umweltepigenetik und Lungenforschung.
Immunzelle schon vorher auffällig aktiviert
„Dabei stellten wir fest, dass die Immunzellen der Herzkreislaufpatientinnen und -patienten schon vor der Infektion mit dem neuartigen Coronavirus eine auffällige Voraktivierung zeigten“, so Dr. Trump weiter. Nach Kontakt mit dem Virus hätten diese Patientinnen und Patienten häufiger eine überschießende Immunreaktion entwickelt, die mit einem schweren COVID-19 Krankheitsverlauf verbunden war. „Erhöhte Entzündungswerte sind unabhängig vom Herzkreislaufstatus immer ein Warnsignal, dass die COVID-19-Erkrankung schwer verlaufen wird“, erläutert Professor Landmesser.
Des Weiteren sei deutlich geworden, dass „eine Behandlung mit ACE-Hemmern, nicht aber mit Angiotensin-Rezeptorblockern, diese überschießende Immunantwort nach Infektion mit dem Corona-Virus verhindern könnte“, ergänzt Professorin Irina Lehmann. Demnach könnten ACE-Hemmer das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf sogar verringern.
Bluthochdruckmittel und die Viruslast
Zudem habe sich gezeigt, dass die blutdrucksenkenden Medikamente auch einen Einfluss darauf haben könnte, wie schnell das Immunsystem die Viruslast, also die Konzentration des Virus im Körper, abbauen kann. „Hier sahen wir einen deutlichen Unterschied zwischen den verschiedenen Behandlungsformen gegen Bluthochdruck“, so der Direktor des BIH Zentrums für Digitale Gesundheit, Roland Eils.
Bei der Behandlung mit Angiotensin-II-Rezeptorblockern sei der Abbau der Viruslast erheblich verzögert gewesen, „was ebenfalls zu einem schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung beitragen könnte“, berichtet Eils. Diese Verzögerung sei jedoch nicht bei der Behandlung mit ACE-Hemmern festzustellen gewesen.
Kein erhöhtes Infektionsrisiko
Insgesamt gebe die „Studie keine Hinweise darauf, dass die Behandlung mit bluthochdrucksenkenden Medikamenten das Infektionsrisiko für das neuartige Coronavirus erhöht“, betont Professor Landmesser. Stattdessen können die Medikamente der Immunhyperaktivierung sogar entgegenwirken. Allerdings sei die Behandlung des Bluthochdrucks mit ACE-Hemmern für die Patientinnen und Patienten, die an COVID-19 erkranken, möglicherweise vorteilhaft gegenüber der Therapie mit Angiotensin-II-Rezeptor Blockern. Dies müsse nun weiter untersucht werden. (fp)
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