Corona-Infektion: Nicht automatisch immun?
Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben Studien gezeigt, dass Personen nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion spezifische Antikörper entwickeln. „Unklar ist jedoch noch, wie robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird und ob es möglicherweise von Mensch zu Mensch Unterschiede gibt“, schrieb die BZgA vor einigen Wochen. Mittlerweile gibt es hierzu mehr Erkenntnisse.
Tests finden bei vielen Menschen kurz nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schon keine speziellen Antikörper mehr im Blut. Was heißt das für Herdenimmunität, Immunitätspässe und die Entwicklung von Impfstoffen?
Keine Antikörper nachweisbar
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In der Corona-Pandemie hoffen viele Menschen auf Immunität – nach überstandener Infektion oder durch eine bald verfügbare Impfung. Beides könnte das Immunsystem gegen den Erreger wappnen und Menschen vor der Krankheit COVID-19 schützen. Nun aber deuten viele Studien darauf hin, dass gerade bei Menschen, die nur wenige oder gar keine Symptome hatten, schon bald nach einer Infektion keine Antikörper im Blut mehr nachweisbar sind.
Verständnis über Immunität unklar
Zwar ist noch unklar, was das für eine mögliche Immunität bedeutet. Doch die Beobachtungen wecken Zweifel an der Aussagekraft von Antikörper-Tests und an den derzeit diskutierten Immunitätspässen. Auch für die Entwicklung eines Impfstoffs wäre ein möglichst genaues Verständnis der Immunantwort auf SARS-CoV-2 zentral.
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Die Immunantwort scheint bei Menschen uneinheitlich auszufallen. Grundsätzlich kann das Immunsystem etwa mit sogenannten T-Zellen auf Krankheitserreger reagieren. Manche T-Zellen aktivieren B-Zellen, die dann Antikörper bilden. Antikörper binden an bestimmte Merkmale von Erregern und können diese so inaktivieren.
Auf den ersten Blick scheint das Vorhandensein spezieller Antikörper ein guter Hinweis auf eine frühere Infektion zu sein. Allerdings fand eine Untersuchung des Universitätsspitals Zürich bei Menschen mit milden oder asymptomatischen Verläufen keine sogenannten IgG-Antikörper im Blut. Diese sind wichtig für das Immungedächtnis – damit das Immunsystem bei erneutem Kontakt mit dem Erreger stärker und schneller reagiert.
Die Studie ist bislang nur ein Preprint – ist also weder von Expertinnen und Experten begutachtet noch in einem Fachjournal publiziert.
Forschende sind verunsichert
Eine weitere als Preprint veröffentlichte Untersuchung des Lübecker Gesundheitsamts fand bei 30 Prozent von 110 Corona-Infizierten mit ebenfalls höchstens mäßigen COVID-19-Symptomen keine Antikörper. Und im Fachblatt „Nature Medicine“ berichten Forschende aus China, dass bei Infizierten ohne Symptome die Antikörper-Konzentration im Blut bereits nach kurzer Zeit deutlich sank.
Solche Studien lassen die Aussagekraft von Antikörper-Massentests, die das Ausmaß der Corona-Infektionswelle in der Bevölkerung klären sollen, fraglich erscheinen. Zudem könnte eine durch Antikörper gegebene Immunität bei vielen SARS-CoV-2-Infizierten schon nach kurzer Zeit wegfallen.
Entsprechend skeptisch sieht Thomas Jacobs vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) die Einführung von Immunitätspässen für Menschen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 hinter sich haben. Wissenschaftlich ist ohnehin nicht gesichert, dass die Präsenz von Antikörpern automatisch vor einer erneuten Infektion schützt.
„Wir wissen generell noch nicht genau, wie Antikörper schützen“, stellt der Immunologe fest. Studien würden zwar einen solchen Schutz nahelegen, „aber wie hoch beispielsweise der Antikörper-Spiegel dafür sein muss, bleibt unklar“.
Antikörper haben verschiedene Qualitäten
Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), betont, man müsse bei Antikörpern differenzieren: „Es gibt bei Antikörpern verschiedene Qualitäten, und nicht alle verhindern eine Infektion.“ Wichtig sei hier, harte Daten zu finden: „Ob ein Immunschutz entsteht, muss an der Realität gemessen werden.“
Ebenso wenig überraschen Jacobs die Studienresultate, dass gerade bei asymptomatischen Erkrankungen schnell wenige oder gar keine Antikörper mehr auffindbar sind: „Wenige Viren im Hals- und Rachenbereich genügen wahrscheinlich nicht, um eine große Antikörper-Antwort oder T-Zellen-Immunität auszulösen.“
Für das Immunsystem habe diese angepasste Reaktion durchaus Sinn, da wir im Alltag ständig Pathogenen ausgesetzt seien: „Wenn wir mit leichten Waffen antworten können, brauchen wir keine schweren Geschütze auffahren.“ Bei COVID-19-Erkrankungen mit schwereren Symptomen werde indes vermutlich schon ein längerfristiger Schutz aufgebaut.
Immunität bleibt nur wenige Monate
Studien zu anderen Coronaviren weisen darauf hin, dass eine erneute SARS-CoV-2-Infektionen komplett verhindernde Immunität vielleicht nur einige Monate bestehen bleibt, wie der Virologe Shane Crotty vom La Jolla Institute of Immunology in Kalifornien dem Fachmagazin „Nature“ erklärte. Eine Symptome abmildernde Immunität könnte es demnach länger geben.
Ungewiss ist, welcher Teil der Immunabwehr besonders wichtig für diesen Schutz ist. „Neben den Antikörper bildenden B-Zellen kann die T-Zell-Antwort auf den Erreger genauso wichtig sein“, erklärt Jacobs. Welcher Mechanismus hier vor allem wirke, sei eine zentrale Frage für die Entwicklung eines Impfstoffs.
Dazu verweist der Infektionsforscher auf Studien aus den USA und Deutschland: Darin hatten bis zu 30 Prozent der Menschen, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, dennoch bestimmte T-Helferzellen, die auf dieses Coronavirus reagierten: „Wahrscheinlich hatten sie schon einmal Kontakt mit sogenannten Common-Cold-Coronaviren“ – also mit anderen Coronaviren, die herkömmliche Erkältungen auslösen.
Ein solcher Kontakt könnte eine Teil-Immunität gegen COVID-19 bieten. „Das würde erklären, warum bei der Infektion so unterschiedliche Dynamiken und Symptome zu beobachten sind“, vermutet Jacobs. Noch ist allerdings unklar, ob und welchen Schutz diese sogenannte T-Zell-Reaktivität bieten könnte. (ad; Quelle: dpa)
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