Wann gehören Menschen mit Behinderung zur Corona-Risikogruppe?
Viele Menschen mit Behinderung gehören zu der sogenannten Risikogruppe, weil sie zum Beispiel durch das Sitzen kein großes Lungenvolumen haben. Vielleicht durch eine Wirbelsäulenverformung, auch , auch wenn sich die Lunge nicht ganz ausdehnen kann oder durch eine Muskelerkrankung, wodurch sie auch ein eingeschränktes Lungenvolumen haben und dann Probleme mit dem Husten haben. Wo es dann vor allem darum geht, eine Lungenentzündung zu vermeiden, denn die kann eine sehr große Auswirkung haben auf diese Menschen.
In wiefern betrifft Sie das persönlich?
Auch mich betrifft das. Meine Lunge ist nicht die größte. Ich habe zwar ein relativ starkes Immunsystem, aber wenn ich eine Lungenentzündung bekommen sollte, könnte es schon sein, dass das ungünstig ist.
Wie hat sich Ihr Alltag in den vergangen Wochen verändert?
Ich habe das Privileg, dass wir bei uns auf der Arbeit schon immer im Homeoffice praktizieren konnten. Das heißt, es gibt gar nicht so viele Einschränkungen? Ich gehe ein bisschen weniger raus. Noch gibt es genug zu tun in der Wohnung. Bin mal gespannt, wie das in ein paar Wochen aussieht. Wenn dann irgendwie alles gemacht ist, was man sich schon immer mal vorgenommen hatte. Mir fehlt die Sonne. Mir fehlt auch ein bisschen die Geselligkeit und die Gelassenheit, die wir sonst im Alltag hatten, wenn wir rausgegangen sind. Ich hoffe, das kommt irgendwann wieder. Aber wann, ist unklar.
Was hilft Ihnen durch die Isolation im Alltag?
Interviews, aber auch Routinen durch Rhythmus im Alltag und den Versuch, irgendwie einigermaßen den Alltag aufrechtzuerhalten oder zu leben und Struktur reinzubringen. Nicht zu viele Informationen zu konsumieren, aber auch nicht zu wenige. Kontakt mit Menschen über soziale Medien, über Videos, Skype und dann eben auch immer wieder mahnen und darauf hinweisen, dass es noch viele andere Themen und Menschen gibt, die von dieser Krise betroffen sind. Es geht hier nicht um mich, nur um mich. Oder nur um Menschen mit Behinderung. Es gibt noch viele, viele andere Menschen.
Sie haben sich der Kampagne #Risikogruppe angeschlossen: Was hat sie bewirkt?
Ja, der Hashtag ging natürlich total viral. Wir haben total viele Medienanfragen bearbeitet, die alle so in die gleiche Richtung gehen wie das, was wir gerade machen. Was mir gerade Sorgen macht, sind eigentlich andere Dinge. Mir fällt schon auf, dass es immer noch viele Menschen gibt, die draußen unterwegs sind und sich nicht daran halten, zu Hause zu bleiben. Aber ich mache mir auch nichts vor. Zu glauben, dass irgendeine Kampagne oder Interviews diese Menschen überzeugen,, sondern da muss man dann wahrscheinlich zu anderen Maßnahmen greifen und auch der Staat dafür sorgen. Auch wenn es schade ist, dass wir hier mit Überzeugung nicht mehr weiterkommen. Und dann mache ich mir natürlich sorgen : Was machen wir, wenn die Krankenhäuser dann irgendwann wirklich voll sind? Und dann Menschen mit Behinderungen, die auch so Unterstützung brauchen, auch oft von Krankenhäusern, dann Probleme haben, dort behandelt zu werden? Wir lesen schreckliche Berichte aus Italien, aus England, aus den USA, wo bereits Beatmungsgeräte knapp werden und dann entschieden werden muss, wem geholfen wird und dass wir sowas mal in Deutschland erleben, hätte ich für möglich gehalten.
Was fehlt Ihnen gerade in der Berichterstattzng über Corona?
Ich würde mir wünschen, dass Medien weniger fragen, wie einzelne Menschen, die zur Risikogruppe gehören, damit umgehen. Denn das Thema ist inzwischen seit einer Woche in zahlreichen Medien – sondern weiterzugehen und vielleicht auch mal den Silberstreif am Horizont zeigen. In was für eine Gesellschaft werden wir danach leben? Was macht Hoffnung?
Welche Dinge passieren gerade, die uns in der Zukunft stärken werden?
Damit wird sicherlich der Digitalisierung einen großen Schub gegeben. Dass viele Menschen erkennen, dass Homeoffice doch möglich ist. Dass viele Menschen spüren, was es bedeutet, wenn man wenig Kontakt hat, wenn man einsam ist, wenn man nicht mehr aus dem Haus kommt. Was viele Menschen mit Behinderung schon ihr Leben lang spüren, vielleicht auch eine gewisse Empathie. Aber wir müssen auch mal ergänzend zu einer Frage davor genau hinschauen: Wie geht es den Menschen in Behinderteneinrichtung, in Wohnheimen, in Altersheimen? Mich erreichen Geschichten, wo Menschen infiziert sind, mit Corona in einem Behindertenheim. Der Staat sagt: Geht doch nach Hause. Aber die sind zu Hause, und die stecken sich untereinander an. Es fehlt an Schutzausrüstung. Die Pflege: Fachkräfte kommen nicht mehr zur Arbeit, weil sie Angst haben, sich zu infizieren. Es gibt ja sehr viele Menschen, die wirklich unter dieser Krise mehr leiden als ich persönlich.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Dass sie sich ehrlich macht und dass sie auch wirklich den Menschen helfen, die am wenigsten haben: Menschen mit Behinderungen. Menschen, die prekär leben und verdienen. Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind. Und dass wir hier nicht wieder anfangen, irgendwelche Spielchen zu spielen mit zigfachen Formularen und Nachweisen, ob man wirklich bedürftig ist. Wir wissen genau, welche Menschen bedürftig sind. Menschen, die einsam sind, Menschen, die alleinerziehend sind, Menschen, die Kinder zu Hause betreuen müssen, weil die Kitas und Schulen zu haben und nebenbei noch arbeiten und da schon wenig verdient haben. Das ist eigentlich sonnenklar, dass diese Menschen Unterstützung brauchen. Manche müssen wir wirklich großzügig unterstützen.
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