Wie weit darf Sterbehilfe gehen?

Zwei Tage lang hat sich der Zweite Senat desBundesverfassungsgerichts mit dem Thema Sterbehilfe befasst. Ihm liegen übersechs Verfassungsbeschwerden vor, die sich gegen § 217 des Strafgesetzbuchsrichten, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafestellt. Ein Urteil wird frühestens in einigen Monaten erwartet.

Am zweiten und letzten Tag einer sehr emotionalen undpersönlichen Verhandlung hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeiten undGrenzen einer ärztlichen Suizidhilfe ausgelotet. „Wie weit kann und darf derPatient seine Selbstbestimmung leben?“, fasste Richter Peter Huber die zentraleFrage am Mittwoch in Karlsruhe zusammen. Und gibt es möglicherweise einenAnspruch auf Unterstützung?

Der Gesetzgeber hat die professionelle Sterbehilfe vor gutdrei Jahren unter Strafe gestellt. Nach § 217 Strafgesetzbuch (StGB) ist die „geschäftsmäßigeFörderung der Selbsttötung“ unter Strafe gestellt. Es drohen bis zu drei JahreHaft. Angehörige und „Nahestehende“, die selbst nicht geschäftsmäßig handeln,bleiben straffrei. Gegen dieses Verbot klagen nun Schwerkranke, Ärzte undSterbehilfe-Vereine. Insgesamt sechs Verfassungsbeschwerden liegen demBundesverfassungsgericht vor. Das Urteil dürfte frühestens in einigen Monatenverkündet werden.

Der Bundestag wollte mit dem neuen Straftatbestandverhindern, dass Suizidhilfe-Vereine wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitasaus der Schweiz ihre Angebote für zahlende Mitglieder ausweiten. Der Begriff „geschäftsmäßig“setzt allerdings keine Erwerbs- oder Gewinnerzielungsabsicht voraus. Vielmehr genügt,dass der Täter „die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seinerBeschäftigung macht“. Das trifft zum Beispiel auch Ärzte.

Verunsicherte Ärzte

Unter Ärzten hat das große Unsicherheit ausgelöst. Siekönnen das Sterben mit Palliativmedizin möglichst erträglich gestalten undhaben lebensverlängernde Maßnahmen auf Wunsch des Patienten abzubrechen. Manchevon ihnen würden im Einzelfall aber gerne mehr tun. Doch § 217 StGB stellt aus ihrer Sicht nicht hinreichend sicher, dass die im Einzelfall geleistete ärztliche Suizidhilfe straffrei bleibe.

Einer der Kläger, der Stuttgarter Palliativmediziner DietmarBeck, erzählte den Richtern von einer über 80-Jährigen mit Depressionen, dienach einem gescheiterten Suizidversuch erblindet war. Das Ethikkonzil desKrankenhauses habe ihr schließlich das Sterbefasten ermöglicht, also denfreiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken bis zum Tod. Das habe sichallerdings über drei Monate hingezogen, in dieser Zeit habe sie täglich um einetödliche Spritze gebeten. Er wünsche sich die Freiheit, diese letzte Option zuhaben.

„Leiden gehört immer dazu zum Tod“, entgegnete WinfriedHardinghaus vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband. Es könne aber ertragenwerden. Er berichtete von einem Mann mit Prostatakrebs und schmerzhaftenMetastasen, der von ihm ein tödliches Medikament haben wollte. In Gesprächenhabe er ihn überzeugen können, sich auf eine palliative Sedierung einzulassen. „AnfänglichSuizidbeihilfe gewünscht, später in Würde gestorben“, sagte er.

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