Wenn der Patient stirbt, zahlt die Krankenkasse weniger

Mehrere Krankenkassen knüpfen die Bezahlung eines neuen Krebsmedikaments von Novartis in Zukunft an den Erfolg der Therapie. Konkret bedeutet das: Sterben die Patienten innerhalb eines gewissen Zeitraums, zahlt das Pharmaunternehmen einen Anteil der Kosten zurück, wie Novartis in einer Pressemitteilung berichtet.

Demnach hat das Pharmaunternehmen einen entsprechenden Vertrag mit der GWQ ServicePlus geschlossen, einem Dienstleistungsunternehmen für mittelständische Krankenkassen. Es handelt sich um ein Pilotprojekt im deutschen Gesundheitssystem, das in Zukunft jedoch für viele Therapien infrage kommen könnte. Zuerst hatte die “FAZ” über die Entwicklung berichtet.

Konkret geht es bei dem Vertrag um die Gentherapie Kymriah, bei der Blutkrebs-Patienten mit eigenen, gentechnisch veränderten Zellen behandelt werden. Dafür entnehmen Ärzte den Patienten Immunzellen, die im Labor so umprogrammiert werden, dass sie Krebszellen attackieren. Die maßgeschneiderte Therapie kostet momentan 320.000 Euro.

Für Patienten, bei denen andere Therapien versagt haben, ist die Behandlung die letzte Hoffnung. Im Optimalfall bewirkt sie, dass keine Krebszellen mehr nachweisbar sind. “Damit haben die Patienten eine reelle Chance auf längerfristiges Überleben”, schreibt Novartis. Allerdings können die veränderten Immunzellen auch zu einer Entgleisung des Immunsystems und im schlimmsten Fall zum Tod führen.

Hohe Kosten, unsicherer Nutzen

Krankenkassen stellt das vor enorme Herausforderungen: Es drängen immer mehr Gentherapien auf den Markt, die mit enormen Kosten verbunden sind – aber auch mit großen Hoffnungen für einzelne Betroffene. Allerdings wurden die maßgeschneiderten Mittel bei der Markteinführung oft erst an wenigen Patienten getestet, sodass sich schwer sagen lässt, wie groß die Erfolgschancen wirklich sind.

Gleichzeitig sind im Jahr nach der Markteinführung die Preise besonders hoch, da Unternehmen in diesem Zeitraum die Kosten ihrer Arzneimittel noch beliebig festlegen können, bevor sie in Verhandlungen mit den Krankenkassen treten. In Kombination mit der Unsicherheit über den Nutzen der Therapien besteht die Gefahr, dass Innovationen Patienten nicht erreichen.

Dieses Problem soll der neue Ansatz lösen, die Kosten vom Behandlungserfolg abhängig zu machen. Die Branche spricht von “Pay-for-Performance”-Verträgen. Novartis erhofft sich dadurch eine breitere Anwendung der extrem teuren Mittel, die Krankenkassen eine bessere Kalkulierbarkeit von Kosten und Nutzen.

“Der Vertrag zwischen der GWQ und Novartis macht deutlich, dass es möglich ist, gemeinsam nachhaltige Lösungen für das Gesundheitssystem zu entwickeln und gleichzeitig den schnellen Patientenzugang zu therapeutischen Innovationen zu fördern”, erklärte Oliver Harks von GWQ in einer Pressemitteilung. Das bedeutet jedoch auch, dass Geldsummen mit Menschenleben verknüpft werden.

Weitere Verträge bei Multipler-Sklerose-Therapie

Wie hoch die Rückerstattung im Todesfall des Patienten sein wird, berichtet Novartis nicht. Auch gibt es keine Angaben dazu, ab welcher Überlebenszeit die Therapie per Definition ein Erfolg war. Klar ist hingegen, dass der Vertrag vorerst nur für den Zeitraum bis Mitte September gilt. Dann ist das Mittel ein Jahr auf dem Markt und die Preisverhandlungen sind abgeschlossen. In der Regel sinken dann die Kosten erheblich.

Zwar betrifft der aktuelle Fall nur wenige Patienten. Da Kymriah ausschließlich als letztes Mittel bei zwei Krebsformen zugelassen ist, kommt es nur für wenige Hundert Patienten in Deutschland infrage. Der Kassenverbund GWQ rechnet laut “FAZ” bei knapp 8 Millionen Versicherten mit bis zu zehn betroffenen Patienten im Jahr. Die Regelung könnte jedoch ein Vorbild sein für die Bezahlung weiterer innovativer Therapien, die auf den Markt drängen und das Gesundheitssystem vor immense Kosten stellen.

GWQ hatte bereits im vergangenen Herbst einen “Pay-for-Performance”-Vertrag für eine Multiple-Sklerose-Therapie ausgehandelt. “Schlägt die Behandlung mit dem patentgeschützten Wirkstoff nicht an und ist eine andere Therapie notwendig, übernimmt der Hersteller die Kosten dieser Therapie”, heißt es in einer Mitteilung.

Experten haben schon seit Jahren einen ganz anderen Vorschlag, wie sich die Medikamentenkosten senken ließen: Sie fordern, dass die nach einem Jahr zwischen Kassen und Unternehmen ausgehandelten Preise auch rückwirkend gelten sollten. Dann müssten die Unternehmen die darüber liegenden Kosten zurückzahlen – und hätten keine Anreize mehr, im ersten Jahr Mondpreise zu verlangen.

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