Schönheitschirurg: Bei welchen OP-Wünschen ich sofort Nein sage

Social Apps mit ihren geschönten Selfies zeigen eine falsche Realität. Vor allem junge Frauen sind deshalb mit ihrem Aussehen immer öfter unzufrieden. Dabei manipulieren die Apps den Geschmack, so gelten etwa Schlauchbootlippen als ideal. FOCUS Online sprach mit einem Schönheitschirurgen, der diesen Trend kritisch sieht.

Selbstdarstellung wird vor allem für junge Frauen immer wichtiger. Mit dem Selfie-Stick geschossene Fotos sollen sie von ihrer Schokoladenseite zeigen. Doch beim Vergleich mit den – vielmals geschönten – Selfies von Celebrities auf den Social Apps sind die meisten davon überzeugt, mit diesen Vorbildern nicht mithalten zu können. Das kann sogar krank machen.

Eine britische Studie zeigt, dass Instagram, auf dem sich vor allem Schauspieler darstellen, die negativsten Auswirkungen auf das Selbstbild hat, gefolgt von Snapchat und Facebook. Die Folgen im einzelnen: Körperempfinden, Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und das Glücksempfinden leiden massiv. Immer mehr Mädchen und junge Frauen suchen Hilfe beim Schönheitschirurgen, andere entwickeln Magersucht oder Bulimie.

Eigenwahrnehmung ist gestört

Mit diesem neuen und so wichtigem Thema beschäftigt sich der Talk „Self Awareness vs. Selbstoptimierung – Ein gesundes Selbstbild in Zeiten des Selfie-Wahns“ auf den Bunte Beauty Days (BBDs) in Düsseldorf. Als Experte mit dabei ist Afschin Fatemi, ästhetischer Chirurg, der Spezialist ist für Gesichts- und Lid- und Fettgewebsoperationen sowie moderne, nicht-operative Technologien. Er ist Referent auf internationalen Fachkongressen, in diesem Rahmen auch Live-Operateur. FOCUS Online hat mit dem Beauty-Experten schon vor der Podiumsdiskussion zum Thema Selfie-Wahn und Eigenwahrnehmung gesprochen.

FOCUS Online: Vor allem jungen Frauen wollen optisch ihren Instagram-Idolen nacheifern, immer makelloser werden. Wie beurteilen Sie als Schönheitschirurg diesen Trend der Selbstoptimierung, Sie müssten ihn doch eigentlich begrüßen?

Afschin Fatemi: Nein, den Schönheitswahn, der durch Instagram einen Auftrieb in eine ungesunde Richtung erhält, möchte ich nicht unterstützen. Ich muss mich immer öfter mit Patienten auseinandersetzen, die ein durch diese Social Apps verfälschtes, unrealistisches Bild des durchschnittlichen Menschen haben – und dem sie ihrer Meinung nach nicht entsprechen.

FOCUS Online: Die geposteten Fotos zeigen aber doch keineswegs die Realität, können deshalb doch gar nicht Vorbild sein?

Afschin Fatemi: Das ist das große Problem. Viele Menschen sehen sich den ganzen Tag die Bilder an und halten sie für realistisch. Dabei sind diese Fotos immer bearbeitet. Manche der Bloggerinnen, Influencerinnen und Schauspielerinnen habe ich schon mal live getroffen. Würde ich sie nur von ihren Fotos auf Instagram kennen und ihnen auf der Straße begegnen, würde ich sie gar nicht erkennen. Die Unterschiede sind gravierend: Da wird der Körper gestreckt, die Taille geschärft, der Po vergrößert, das Gesicht geglättet, alle Falten beseitigt, die Augen größer gemacht – alles Veränderungen, die ein Operateur gar nicht machen könnte.

FOCUS Online: Die Bilder sind letztlich Utopie, der kein Mensch in Wirklichkeit entsprechen kann, aber das erkennen viele nicht.

Afschin Fatemi: Stimmt, sie realisieren das nicht. Sie sehen nur, wie „toll“ das Idol aussieht, dass es Tausende bis Millionen von Followern hat – und das hätten sie auch gerne. Und dann gehen sie zum Arzt.

FOCUS Online: Wie ist Ihr Eindruck, kommen heute mehr als vor fünf Jahren in die Praxis mit Bildern ihrer Idole auf Instagram und ähnlichem?

Afschin Fatemi: Ja, das passiert immer häufiger. Sie sagen, ich hätte auch gerne so tolle Lippen wie sie, oder so glatte Beine, so einen runden Po. Viele kommen aber auch mit eigenen Selfies und sind mit ihrem Aussehen darauf nicht zufrieden. Doch das Problem ist ein ganz anderes: Wenn ich ein Foto von mir mache und dabei das Handy nur einen Meter von mir weghalte, sind die Proportionen auf dem Selfie leicht verzerrt. Die Nase ist etwas breiter als in Wirklichkeit. Das realisieren manche Patientinnen jedoch nicht. Denn sie kennen sich gar nicht mehr richtig aus dem Spiegel, sondern vor allem von ihren vielen, vielen Selfies, die sie ständig machen, mit breiter Nase. Und möchten deshalb vom Arzt eine schmalere.

FOCUS Online: Es hieß früher mal, der Spiegel lügt nicht. Heute ist aber für viele das verzerrte Abbild des Selfies Realität, nicht die Wirklichkeit im Spiegel. Wie überzeugen Sie die Frauen dann davon, was echt ist und was Selfie-Trug?

Afschin Fatemi: Ich gehe mit ihnen vor den Spiegel und zeige ihnen, sich selbst wieder so zu sehen, wie sie wirklich sind und nicht das verzerrte Selfie-Bild. Das braucht Überzeugungskraft. Ich mache Fotos mit einer richtigen Kamera, mit einem deutlichen Abstand und zeige ihnen dann die Bilder, die nicht verzerrt sind.

FOCUS Online: Wie gefährlich ist die Tatsache, dass so viele junge Frauen diese verzerrte Wirklichkeit auf Instagram und den Selfies als wahre Realität deuten?

Afschin Fatemi: Es entsteht ein falsches Vorbild, eine falsche Vorstellung davon, wie ein Körper, wie ein Gesicht aussieht. Das verfestigt sich und diese Menschen kommen zu früh auf die Idee, ihr Aussehen medizinisch verändern zu lassen. Davon gibt es immer mehr. Ein Beispiel: Ich denke da an viel zu große Lippen, die so genannten „Schlauchbootlippen“. Wenn man heute durch eine Großstadt geht, sieht man immer mehr und immer jüngere Menschen mit diesen Lippen, das war vor wenigen Jahren noch nicht so auffällig.

FOCUS Online: Woher kommt eigentlich diese Vorliebe für die übergroßen Lippen?

Afschin Fatemi: Das ist für mich eine typische Instagram-Übertragung. Ich persönlich finde übergroße Lippen nicht schön, aber das ist eine Frage des Geschmacks. Und Geschmack wird bekanntlich geprägt. Dazu gehen wir mal kurz weg aus Deutschland und nach Brasilien: Früher galten kleine Brüste als Schönheitsideal. Frauen ließen sich ihre Brüste deshalb eher verkleinern. In den 70er-, 80er-Jahren wurden amerikanische Filme vermehrt in Brasilien gezeigt, die Stars hatten große Brüste. Dadurch änderte sich der durchschnittliche Geschmack in Brasilien, man fand große Brüste schön, viele Frauen ließen sich die Brüste nicht mehr verkleinern, sondern vergrößern. Geschmack lässt sich also beeinflussen. Zurück nach Deutschland: Und weil auf Instagram viele Idole sich mit stark vergrößerten Lippen präsentieren, finden das immer mehr der UserInnen schön. Es ist also eine neue Prägung erfolgt, der Geschmack ändert sich dahingehend bei vielen, vor allem jungen Menschen.

FOCUS Online: Wenn junge Frauen zu Ihnen kommen mit dem Wunsch, sich die Lippen vergrößern zu lassen, würden Sie das tun?

Afschin Fatemi: Ästhetische Behandlungen mache ich nicht bei Patienten unter 21 Jahren. Doch selbst wenn jemand mit 90 Jahren zu mir käme und sich Schlauchbootlippen wünschen würde, wäre meine Antwort: Das mach ich nicht. Denn wenn ich etwas selbst nicht mag, kann ich das einem Patienten nicht antun!

FOCUS Online: Wie können junge Menschen heute trotz Instagram und Selfie-Wahn ein gesundes Selbstbild bewahren und wieder bekommen?

Afschin Fatemi: Das bedeutet, ein gesundes Selbstbewusstsein zu haben, sich selbst gut zu finden, wie man ist. Jetzt werden Sie sicher fragen, warum ein Schönheitschirurg das sagt, weil es doch kontraproduktiv für ihn ist.

FOCUS Online: Stimmt. Warum sagt das der Schönheitschirurg, der ja von dem Gewinn lebt, den er mit seiner Tätigkeit erzielt?

Afschin Fatemi: Ich finde Natürlichkeit wunderbar. Doch wenn jemand sagt, „ich habe ausgeprägte Schlupflider, oder ich habe Tränensäcke oder tiefe Falten, die mich einfach 20 Jahre älter aussehen lassen“, dann sind das Dinge, die ich gerne behandeln werde. Wenn aber der Wunsch besteht, so auszusehen wie jemand anderer, einem Idol gleichzukommen, lehne ich das ab. Das gilt auch für Selfies. Wie falsch der Eindruck ist, den sie vermitteln, zeigt eine Zahl, die eine Studie aufgedeckt hat: Der durchschnittliche Jugendliche macht 28 Selfies, bis er eines gefunden hat, das ihm so gefällt, dass er es nach entsprechender Bearbeitung auf Instagram postet. Das ist nicht nur ein Zeichen für große Unsicherheit, sondern vor allem für aktive Selbstverzerrung.

Mehr zu diesem ganz neuen, vielleicht sogar verstörendem Thema können Sie am 15.6. live in Düsseldorf auf den Bunte Beauty Days erfahren. Afschin Fatemi ist Experte beim Talk „Me, Myself and I – Self Awareness vs. Selbstoptimierung – Ein gesundes Selbstbild in Zeiten des Selfie-Wahns“. Außerdem dabei ist die Influencerin Mrs Bella, moderieren wird Jessica Libbertz.

Sichern Sie sich jetzt schon Ihr Ticket und erleben Sie auf den Bunte Beauty Days die einmalige Mischung aus Lifestyle-Event, Trend-Konferenz und Verbrauchermesse.

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