Chronobiologie: Im Takt des Lichts



Die Sonne bestimmt unseren Rhythmus. Doch Handys und Bürotage bringen ihn durcheinander

Licht und Dunkel haben einen starken Einfluss auf unser Wohlbefinden. Menschen in sonnenarmen Regionen sind eher von saisonalen Depressionen betroffen

Fast zehn Prozent der Bevölkerung im sonnenarmen Alaska erkranken an saisonalen Depressionen. Im sonnenverwöhnten Florida trifft es nur 1,5 Prozent. Typisch für das umgangssprachlich Winterdepression genannte Leiden: Im Frühjahr, wenn Nebel und Dunkelheit nachlassen, sind die Symptome wie weggeblasen.

Nicht alle Menschen reagieren psychisch so stark auf einen Mangel an natürlichem Licht. Dennoch zeigen die Zahlen, wie wichtig die Sonne für unsere Stimmung ist. Viele Menschen fühlen sich im Winter schlapp, antriebslos, müde und niedergeschlagen.

"Das sind sind Überbleibsel des Winterschlafs", erläutert Dr. Dieter Kunz, Chefarzt für Schlaf- und Chronomedizin am Berliner St.-Hedwig-Krankenhaus. "Der Körper geht in einen Energie­sparmodus, den wir in der heutigen Zeit nicht mehr brauchen." Das Signal dazu gibt ihm die Dunkelheit, die ihn nun morgens wie abends umgibt.

Wenn die Eule eine Lerche sein muss

Der Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen Hell und Dunkel ist der wichtigste Taktgeber für unsere biologische Uhr. Sie regelt unter anderem den Hormonhaushalt. "Es gibt eigentlich keine Funktion im Körper, die nicht rhythmisch abläuft", erklärt Professor Dr. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Uni München.

Bei jedem Menschen tickt die innere Uhr ein bisschen anders. Wissenschaftler unterscheiden zwischen zwei so­genannten Chronotypen: Lerchen und Eulen. Während die Lerchen morgens fit aus dem Bett springen und abends früh gähnen, werden die Eulen erst spät so richtig munter und schlafen dafür morgens länger.

Weil die Welt – vor allem die moderne Arbeitswelt – für Morgenmenschen   gemacht ist, lässt sich an den Eulen leicht beobachten, welche Auswirkungen es hat, gegen den eigenen Rhythmus zu leben. Ein Forscherteam aus Amerika studierte sechs Jahre lang die Schlafgewohnheiten von über 400 000 Menschen zwischen 38 und 73 Jahren.

Die innere Uhr mit Füßen treten rächt sich

Ein Ergebnis: Die Eulen erkranken unter anderem häufiger an Diabetes und psychischen Leiden. Im Studienzeitraum starben zudem mehr Morgenmuffel als Frühaufsteher.

Doch viele Menschen leben nicht nur entgegen ihrem natürlichen Chronotyp. Sie leben auch ohne den natürlichen Hell-dunkel-Rhythmus. Tagsüber bekommen sie zu wenig Licht ab und abends zu viel. "Damit treten viele von uns die innere Uhr mit Füßen", erläutert Experte Roenneberg. Hauptgrund: Viele Arbeitnehmer sind kaum noch unter freiem Himmel unterwegs.

Stattdessen sitzen wir bei Sonnenaufgang in der U-Bahn und tagsüber im Arbeitszimmer. "In sehr gut beleuchteten Büros bekommen die Menschen 500 Lux ab, in der U-Bahn gerade noch 20 Lux", sagt Mediziner Kunz. Das reiche aus, um ein Buch zu lesen, habe aber keine Wirkung auf unseren Körper. Zum Vergleich: An einem Sommertag tankt man draußen knapp 100 000 Lux, an einem grauen Wintertag immerhin noch 3500.

Handylicht wirkt anders als Licht durch Feuer

Tagsüber erhalten viele Menschen also zu wenig Licht, und nachts ist das Gegenteil das Problem: Sobald es dämmert, wird in der Wohnung die Lampe angeknipst, es leuchten Straßenlaternen und Schaufenster. Richtige Dunkel­­heit? Kriegt das Auge kaum mehr zu sehen.

Diese unnatürlichen Lichtverhältnisse senden dem Körper falsche Signale. Klingelt der Wecker im Winter noch vor Sonnenaufgang, kommt man entsprechend schlecht in die Gänge. Läuft um 23 Uhr im Schlafzimmer der Fernseher, wird man nicht richtig müde.
Hinzu kommt, dass sich zunehmend mehr blaues Licht in unseren Alltag schleicht.

Bereits seit Entdeckung des Feuers sind die Menschen unabhängig von Mond- und Sonnenschein, können die Nacht zum Tag machen. Doch ursprüngliche Lichtquellen wie Feuer und Kerzen oder auch Gaslampen und Glühbirnen leuchten rötlich. LED-Leuchten, eingebaut in Tablets, Smartphones und Flachbildschirmen, strahlen dagegen eher bläulich. Ihre Wellenlänge signalisiert dem Körper besonders stark "Hallo wach!" statt "Gute Nacht".

Ohne Fernseher ins Bett

Wissenschaftler aus Spanien konnten zeigen: Wer vor dem Zubettgehen noch lange auf einen Bildschirm starrt, unterdrückt die Bildung des müde machenden Hormons Mela­tonin. Zahlreiche Schlafforscher und -mediziner sehen in Smartphones und Computern denn auch einen Grund dafür, warum so viele Menschen über schlechte Nachtruhe klagen. Sie empfehlen häufig, erst einmal Handy und Fernseher aus dem Schlafzimmer zu verbannen, bevor man zu Medikamenten greift.

Doch woran merkt man, dass man aus dem Takt geraten ist? "95 Prozent der Bevölkerung merken es daran, dass sie zu spät sind", sagt Roenneberg. Wer morgens einen Wecker brauche, lebe nicht im Einklang mit der inneren Uhr.

Natürliches Licht ist wichtig

Gerade im dunklen Herbst und Winter aber wachen viele Menschen ohne Wecker nicht auf. "Wichtig ist dann, morgens bis mittags möglichst viel natürliches Licht zu bekommen", sagt Chronomediziner Kunz. Das gebe der inneren Uhr einen Schubs, und sie ticke wieder in der richtigen Zeit.

Wer im Büro sitzt, sollte zudem ab und zu aus dem Fenster in den Himmel schauen. Und wer in der Stadt lebt: morgens eine Station später in Bus oder U-Bahn einsteigen und bis dort einen Spaziergang machen. Einen etwas außergewöhnlicheren Rat hat ein internationales Forscherteam parat. Die Wissenschaftler empfehlen, ein Wochenende zu campen.

Besser schlafen im Zelt

Sie untersuchten Versuchspersonen, die in den Rocky Mountains zelteten. Sie wollten wissen, wie viel Einfluss natürliches Licht auf den Schlafrhythmus hat. Das Ergebnis: Bereits nach wenigen Tagen unter freiem Himmel verschob sich die innere Uhr der Teilnehmer, passte sich dem natürlichen Tag-Nacht-Ablauf an. Die Camper schliefen früher ein und wachten eher auf. Handys und andere elektrische Geräte waren bei dem Ausflug verboten.

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