Betroffene verlangen Mordprozess gegen Zyto-Apotheker Peter S.

Der Skandal um unterdosierte Krebsmittel wird in diesem Jahrein Fall für den Bundesgerichtshof. In ihrer Revision thematisiert dieStaatsanwaltschaft Fragen, die für fast alle Apotheker spannend werden dürften.Patienten des Apothekers wollen vom obersten Gericht erreichen, dass Apotheker S. wegenMordes verurteilt wird.

Der Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. wirdin den nächsten Monaten zum Bundesgerichtshof (BGH) gehen: Im Juli 2018 wurdeer vom Landgericht Essen zu zwölf Jahren Haft verurteilt, nun begründen dieProzessbeteiligten ihre Revisionen. Die Verteidigung hatte erheblicheRechtsfehler im erstinstanzlichen Prozess moniert, etwa die Besetzung einesSchöffen – und einen kompletten Neustart des Verfahrens verlangt. Beim Landgericht hatten sie erfolglos auf Freispruch plädiert.

Die Staatsanwaltschaft erklärt in ihrer DAZ.onlinevorliegenden Revisionsbegründung, die Haftstrafe sei in ihrer Dauer zwarakzeptabel, das verhängte lebenslange Berufsverbot sei „einzig vertretbar“.Doch das Landgericht hatte den Schaden auf nur 17 Millionen Euro geschätzt unddie Einziehung eines entsprechenden Wertersatzbetrags erkannt, während dieAnklage von gut 56 Millionen Euro ausgegangen war. Der Unterschied liegt darinbegründet, dass laut Staatsanwaltschaft im angeklagten Zeitraum rund 62.000problematische Arzneimittel hergestellt wurden: Schon aufgrund von Hygiene- undDokumentationsmängeln hatte sie alle im Zyto-Labor produzierten Rezepturen alsmangelhaft angesehen und deren Abrechnung bei den Krankenkassen als Betruggewertet.

Das Gericht hatte in seinem Urteil argumentiert, dass in denArzneimitteln keine Kontaminationen nachgewiesen wurden – daher ging es nur vongut 14.000 Rezepturen aus, die aufgrund von Unterdosierungen mangelhaft seien. „DieUrteilsfeststellungen erlauben den Rückschluss, dass der Angeklagte über dieUnterdosierungsfälle hinaus konkludent vorgetäuscht hat, rechtliche Vorgabeneingehalten zu haben, bei denen dies in Wahrheit nicht der Fall war“, erklärtdie Staatsanwaltschaft: So habe S. das Reinraumlabor häufig in Straßenkleidung betretenund ohne Schutzkleidung gearbeitet, was gegen die Apothekenbetriebsordnungverstößt. Außerdem habe er teilweise gegen das Vieraugenprinzip verstoßen.

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Wirkliche Freigabe oder nur ein „Durchwinken“?

Außerdem kritisiert die Staatsanwaltschaft, dass die RichterS. bezüglich versuchter Körperverletzung mit dutzenden Krebsmittelnfreigesprochen haben, die am Tag der Verhaftung sichergestellt wurden und lautAnalysen deutlich unterdosiert waren. Die Richter hatten argumentiert, dass diein Koffern und Kühlschränken lagernden Zubereitungen noch nicht von S.freigegeben worden seien. „Der Angeklagte hätte bezüglich dieser letztlich sichergestelltenPräparate auch wegen der Tatmodalität des lnverkehrbringens verurteilt werdenmüssen“, erklärt die Staatsanwaltschaft.

Zwar hätte für ihn die theoretische Möglichkeit bestanden,Rezepturen zu entnehmen und neu herzustellen oder auszutauschen – dennoch hater laut Staatsanwaltschaft unmittelbar zur Tat angesetzt. Ihrer Ansicht nachhandele es sich um ein tägliches „Durchwinken“: Auch lautApothekenbetriebsordnung sei bei parenteralen Zubereitungen die Fertigstellungdes Herstellungsprotokolls als Freigabe zu verstehen. Anders als das Gerichtsieht die Anklage außerdem ein generelles besonderes öffentliches Interesse ander Verurteilung wegen Körperverletzungsdelikten.

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