Indianertee – Anwendung und Wirkung

Indianertee bezeichnet nicht allgemein Teemischungen der „Native Americans“, sondern einen mutmaßlich von den Ojibwa stammenden Kräutertee, den eine amerikanische Krankenschwester als Mittel gegen Krebs ansah. Dieser Tee wird heute als Flor Essence vermarktet.

Inhaltsverzeichnis

Die wichtigsten Fakten

  • Indianertee, Essiac oder Flor Essence bezeichnen eine Kräutermischung, die angeblich auf die Ojibwa zurückgeht.
  • Die Mischung besteht aus Rotklee, Sauerampfer, Ulme und Rhabarberwurzel sowie späteren Ergänzungen.
  • Alle darin enthaltenen Kräuter sind medizinisch wirksam.
  • René Caisse, welche die Essiac populär machte, setzte es gegen Krebs ein. Eine Wirkung ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt und das Mittel ist somit nicht als Arznei anerkannt.

Woraus besteht „Indianertee“

Das Mittel besteht aus kleinem Sauerampfer, Klettenwurzel, der Rinde der amerikanischen Ulme und Rhabarberwurzel. Dr. Brusch ergänzte dies später um Rotklee, Rotalgen, Brunnenkresse und Kardobenediktenkraut.

  • Benediktenkraut soll die Nerven stärken, wirkt schwach antiseptisch und wundheilend. Es regt den Stoffwechsel an, wirkt gegen Durchfall, treibt den Schweiß und fördert die Menstruation.
  • Braunalge liefert Mineralstoffe, beruhigt die Verdauung, fördert die Potenz und regt den Blutkreislauf an.
  • Brunnenkresse liefert Vitamin A, B1, B2, B6, C, D, E und K, ätherische Öle, Gerbstoffe, Bitterstoffe und Senfölglycoside. Dazu Jod, Eisen, Kalium, Calcium, Zink, Folsäure und Niacin.
  • Rhabarberwurzel stärkt den Appetit und wirkt gegen Bakterien, fördert die Verdauung und den Gallenfluss.
  • Rotklee liefert pflanzliche Hormone.
  • Ulmenrinde wirkt antibakteriell und antibiotisch, treibt den Harn und stillt Blutfluss, reguliert die Darmflora und regt die Zellbildung an.
  • Sauerampfer treibt den Harn und Schweiß und lindert Fieber.

Alle Substanzen im Indianertee haben also eine medizinische Wirkung. Eine Wirkung gegen Krebs ist hingegen wissenschaftlich nicht erwiesen. Ebensowenig gibt es Hinweise darauf, dass die Ojibwa eine dieser Pflanzen jemals gegen Krebs einsetzten.

Anwendung

Der Tee wird meist ein- bis dreimal täglich vor dem Essen getrunken. Es gibt auch Kapseln und Tropfen. In der Anwendung gegen Krebs raten die „Alternativheiler“ dringend, während der Einnahme von Essiac keine Chemo- oder Radiotherapie auf sich zu nehmen.

Heiltees der American Natives

Von einem „Indianertee“ als Sammelbegriff von Heilpflanzen zu sprechen, wäre so sinnvoll, wie von einem „Europäertee“ zu sprechen. Zwischen Alaska und Feuerland wachsen höchst unterschiedliche Pflanzen mit medizinischer Wirkung und ebenso unterschiedlich waren die Kulturen, die sie nutzten. Den „Indianer“ gab es ebenso wenig wie den „Indianertee“.

Heute nutzt die moderne Medizin Stoffe aus mehr als 600 indianischen Heilpflanzen, vom Löwenzahn bis zur Zaubernuss. Native Americans brauten zum Beispiel Tee aus Wasserdost gegen Infektionen und Fieber, aus Bärentrauben, um den Harnfluss zu fördern und die Wehen zu beschleunigen, aus der Wurzel des Beinwell gegen Husten, Erkältungen und Hämorrhoiden sowie äußerlich aufgetragen gegen Arthritis und Verstauchungen. Tee aus Sonnenhut und Lapacho Tee nutzten sie gegen Infektionen.

Die Ojibwa

Die Ojibwa gehören zur Sprachfamilie der Algonkin und siedelten historisch um den Hudson- und Michigansee in den heutigen US-Staaten Wisconsin wie Minnesota sowie in Kanada. Sie lebten vom „wilden Reis“ (einem Wassergras), Fischen und von der Jagd. Den Landraub der europäischen Einwanderer überlebten sie besser als andere Stämme, da ihr Territorium für den Ackerbau ungeeignet war. Heute leben Ojibwa in Reservaten in Kanada, Minnesota, Wisconsin, Nord-Dakota, Michigan und Montana.

Ojibwa-Medizin

Die Ojibwa kannten vier Medizinspezialisten, die Jessakid (Seher), die Midewiwin (Priester), die Wabenos (Männer der Morgendämmerung, „Medizinmänner“) und die Mashki-kike-winini (Kräuterheiler). Letztere brauten die verschiedenen Tees aus den Kräutern der Region. Diese dienten dazu, Würmer und andere Parasiten im Körperinneren zu bekämpfen. Darüber hinaus dienten sie als natürliche Abführmittel oder zur Förderung der Fruchtbarkeit.

Ojibwa-Tee gegen Brustkrebs?

1922 arbeitete René Caisse am Sisters-of-Providence Spital in Haileybury, Ontario. Dort sprach sie mit einer Patientin, deren Brust vernarbt war. Diese erzählte ihr, sie hätte vor 20 Jahren Brustkrebs diagnostiziert bekommen. Ein älterer Medizinmann (vermutlich Mashi-kike-winini) der Ojibwa hätte ihr einen Heiltee aus Kräutern gegeben, den er nach traditionellem Rezept hergestellt habe. Sie wäre erst einmal nach Toronto gefahren, wo Ärzte ihr die Brust amputierten. Für eine Folgebehandlung hätte sie kein Geld gehabt, weswegen Sie den Kräutertee der Ojibwa zwei Mal täglich trank. 20 Jahre später, im Alter von 80 Jahren, sei sie immer noch kerngesund und der Krebs sei verschwunden.

Jahre später erkrankte Caisses Tante an Krebs. Sie verweigerte sich einer Chemotherapie und wollte lieber sterben. Angeblich hatte sie Krebs im Endstadium. Der Arzt erlaubte es Caisse, ihrer Tante das Mittel zu verabreichen, woraufhin der Krebs nach zwei Monaten verschwand und die zuvor Todkranke noch ganze 21 Jahre lebte. So die Geschichte.

Von Caisse zu Essiac

Diese Geschichte sprach sich herum, woraufhin neun Ärzte eine Petition an das Kanadische Gesundheitsamt schrieben: „Wir glauben, dass die Krebsbehandlung der Schwester Caisse keinen Schaden anrichten kann, dafür aber schmerzlindernd wirkt und das Geschwürwachstum vermindert und somit das Leben in hoffnungslosen Fällen verlängert. Wir verbürgen uns dafür, dass ihr nur Fälle übergeben wurden, bei denen jede andere medizinische oder chirurgische Methode versagt hat. Doch selbst dann konnte sie noch bemerkenswerte Heilungserfolge vorweisen. Wir wünschen, dass man ihr die Möglichkeit gibt, ihre Behandlung auf einer größeren Basis unter Beweis zu stellen. Soweit wir wissen, hat sie von keinen Patienten je Geld angenommen, die sie in den letzten zwei Jahren behandelt hat.“

Caisse wurde zur Berühmtheit und der Tee bekam den Namen Essiac – ihr Name rückwärts geschrieben. Bisweilen versorgte sie täglich 50 Patienten mit ihrem Tee in einer Wohnung, die sie in Toronto mietete. Sie nahm kein festes Honorar, sondern überließ die Höhe des Honorars den Betroffenen. 1934 übergab ihr der Stadtrat von Bracebridge ein altes Hotel, um dieses zur Krebsklinik umzubauen. Das Krankenhaus war immer voll.

Im Alter von 72 Jahren erkrankte Caisses Mutter an Leberkrebs, woraufhin ihre Tochter ihr Essiac spritzte und sie sich erholte und erst 18 Jahre später verstarb. Caisse sagte: „Das entschädigte mich für alle Mühen. Dank Essiac waren meiner Mutter noch 18 Jahre eines gesunden Lebens vergönnt. Das hat mir die Kraft gegeben, all diese Verfolgungen durchzustehen, die ich von vielen Medizinern erfahren habe.“

Die Klinik muss schließen

Viele Ärzte standen dem „Wundermittel“ skeptisch gegenüber, andere Ärzte sahen eine reale Wirkung. So schrieb ihr Frederick Banting, der das Insulin mitentdeckt hatte, 1936: „Miss Caisse, ich möchte nicht sagen, Sie hätten ein Heilmittel gegen Krebs, doch Sie haben mehr Beweise für eine positive Wirkung auf Krebskranke als irgendjemand auf der ganzen Welt.“ Doch der Druck von Behörden und Medizinern wurde so groß, dass Caisse ihre Klinik schließen musste.

Prominente Unterstützung

Einen Fürsprecher fand sie im Leibarzt von John F. Kennedy, Dr. Charles Armao Brusch. Caisse war inzwischen 70 Jahre alt und wurde von Brusch an sein Institut in Cambridge (USA) geholt, um dort die Wirkung von Essiac zu erforschen. Mehrere Ärzte an Bruschs Klinik waren von der Wirkung des Mittels überzeugt. Brusch und Caisse fügten dem Mittel vier weitere Kräuter hinzu und hielten es jetzt für stark genug, es nicht mehr spritzen zu müssen, sondern verabreichten es als Tee, damit die Patienten es mit nach Hause nehmen konnten.

Aus Essiac wird Flor Essence

Da es keine wissenschaftlich validen Studien zur Wirkung von Essiac gab, wurde es nicht als Arzneimittel zugelassen. Stattdessen wurde es unter dem Namen Flor Essence als Kräutertee verkauft. Der Name Essiac war so bekannt, dass die Behörden davon ausgingen, dass die Konsumenten es sich unter diesem Namen wegen seiner nicht bewiesenen Wirkung gegen Krebs kaufen würden.

Darmkrebs geheilt?

Brusch selbst sagte 1990: „Ich unterstütze die Essiac Therapie heute noch, denn ich habe meinen eigenen Darmkrebs allein mit Essiac geheilt. Meine letzte Totaluntersuchung im August 1989, bei der mein gesamter Darmtrakt untersucht wurde, ergab keinerlei Anzeichen eines bösartigen Geschwüres mehr. Medizinische Unterlagen beweisen es. Seit meiner Diagnose (1984) habe ich Essiac jeden Tag eingenommen und meine kürzliche Untersuchung hat mir eine gute Gesundheit bescheinigt.“

Eine kanadische Studie kam bei 86 Fällen, die mit Essiac behandelt wurden, zu folgendem Ergebnis: 47 von ihnen erhielten durch die Behandlung keinen Nutzen, acht führten zu keinem Ergebnis, 17 starben, einer erlebte eine „subjektive Verbesserung“, fünf benötigten weniger Analgetika, vier sprachen „objektiv an“ und vier waren „stabil“. Alle Betroffen wurden außerdem konventionell behandelt, was Verbesserungen erklären könnte.

Fragwürdige Erklärungen

Caisse glaubte, Essiac könne Krebszellen dazu bringen, sich an die ursprüngliche Stelle des Tumors zurückzuziehen, wo sie dann schrumpften und verschwänden. Für einen solchen Prozess fehlen sämtliche Belege. Obendrein widerspricht es dem biologischen Wissen über Zellwucherungen. Brusch behauptete, Essiac identifiziere Gifte, sammle sie, spalte sie auf und sorge dafür, dass der Körper sie ausscheide. Jedoch gibt es dafür keine Nachweise, zumal Tumore keine Gifte, sondern wuchernde Zellen sind.

Die Erklärungen für eine angebliche Wirkung von Essiac gegen Krebs reichen also nicht aus und widersprechen zudem dem heutigen medizinischen Wissen.

Kosten

Essiac ist nicht als Arzneimittel zugelassen, sondern wird als Nahrungsergänzung verkauft, weswegen es auch nicht von Krankenkassen bezahlt wird. Die Mischungen können pro Monat mehrere hundert Euro kosten, da die Flasche des Tees zwischen 15 und 24 Euro kostet.

Flor Essence – Risiken

Es gibt keine klinischen Studien zur Wirksamkeit von Indianertee. Da Brunnenkresse einen hohen Jodgehalt hat, sollten Menschen, die diesen nicht vertragen, einen solchen Tee nicht zu sich nehmen. Eine Gefahr besteht darin, dass von der Antikrebswirkung Überzeugte ausdrücklich in ihrer Wirkung belegte Krebstherapien untersagen, während die Betroffenen Essiac zu sich nehmen. So verzögert sich eine valide Behandlung, was im Falle von Krebs den Tod bedeuten kann.

Nebenwirkungen

Manche „Alternativmediziner“ vermarkten Essiac fälschlicherweise als „sanfte Medizin ohne Nebenwirkungen“. Von den in der Mischung enthaltenen Pflanzen sind folgende Nebenwirkungen bekannt:

  • Benediktenkraut kann bei mehr als fünf Gramm pro Tasse zu Erbrechen und Magenschmerzen führen.
  • Klettenwurzel kann allergische Reaktionen hervorrufen.
  • Arznei-Rhabarber führt in seltenen Fällen zu Krämpfen, wässrigem Durchfall und Kontraktionen des Uterus. Des Weiteren können Kaliumverlust, eine Dehydrierung, Muskelschwäche und Ödeme die Folge sein.
  • Sauerampfer führt in größeren Mengen zu Diarrhoe, Hautentzündungen und Übelkeit.
  • Brunnenkresse kann in größeren Mengen zu Darmreizungen führen, bei kontinuierlichem Konsum sogar zu Nierenschmerzen.
  • Rotklee kann zu Ausschlag, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schmierblutungen an der Vagina führen.

(Dr. Utz Anhalt)

Quellen

  • Cam Cancer: Essiac
  • Essiacinfo.org: What is Essiac?
  • Hiller; Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen 1999
  • Stürmer: Apotheke der Indianer: Tipps aus der Ethnomedizin 2014

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